Durchbruch bei der Fehlerkorrektur in Quantencomputern

Forschenden an der ETH Zürich ist es erstmals gelungen, Fehler in digitalen Quantensystemen schnell und kontinuierlich zu korrigieren. Dies geschah mit Untersützung von der Theoretical Quantum Technology Group der RWTH Aachen und des Forschungszentrums Jülich sowie von Kollegen in Kanada. Mit dieser in Nature veröffentlichten Arbeit wurde eine wichtige Hürde auf dem Weg zum praktischen Quantencomputer überwunden.

Quantencomputer werden als vielversprechend für die zukünftige Informationsverarbeitung angesehen. Es ist jedoch ungewiss, ob sie jemals herkömmliche Computer ersetzen können, denn Quantencomputer haben ein Problem: Sie sind extrem fehleranfällig, und die Fehlerkorrektur ist sehr anspruchsvoll.

Im Rahmen einer Kooperation unter der Leitung von Prof. Andreas Wallraff an der ETH Zürich ist es nun gelungen, eine wichtige Hürde zu überwinden: Erstmals ist es dem Forscherteam gelungen, Fehler in Quantensystemen automatisch so weit zu korrigieren, dass die Ergebnisse von Quantenoperationen in der Praxis genutzt werden können. “Für den Bau von praktischen Quantencomputern ist es entscheidend, Fehler an Quantenbits (Qubits) schnell genug und wiederholt zu erkennen und zu korrigieren, bevor sie sich häufen und zum Versagen der Quantenberechnungen führen”, erklärt Prof. Markus Müller, dessen Arbeitsgruppe am Institut für Quanteninformation der RWTH Aachen und am Peter-Grünberg-Institut des Forschungszentrums Jülich Protokolle für Quantencomputing und Fehlerkorrektur erforscht.

Bisherige Fehlerkorrekturmethoden waren nicht in der Lage, die beiden grundlegenden Fehlerarten, die in Quantensystemen auftreten, gleichzeitig zu erkennen und zu korrigieren. Wallraffs Team hat nun das erste System vorgestellt, das beide Fehlerarten wiederholt erkennen und korrigieren kann. Diesen wichtigen Erfolg erzielten die Forschenden mit einem Chip, der insgesamt 17 supraleitende Qubits enthält und bei einer Temperatur von nur 0,01 Kelvin, also knapp über dem absoluten Nullpunkt, betrieben wird.

Aufbau des Quantencomputerchips mit 17 Qubits (gelb) Bild: ETH Zürich/Quantum Device Lab

 

Das Forscherteam führte die Fehlerkorrektur mit dem so genannten Oberflächencode (surface code) durch – eine Methode, bei der die Quanteninformation eines Qubits auf mehrere physikalische Qubits verteilt wird. Neun der 17 Qubits des Chips sind in einem quadratischen Drei-mal-drei-Gitter angeordnet und bilden zusammen ein sogenanntes logisches Qubit: die Recheneinheit eines Quantencomputers. Die übrigen acht Qubits auf dem Chip sind von ihnen abgesetzt; ihre Aufgabe ist es, Fehler im System zu erkennen.

Wenn eine Störung im logischen Qubit die Information verfälscht, erkennt das System diese Störung als Fehler. Diese Information erhält man, indem man die acht zusätzlichen Qubits wiederholt und schnell misst. Daraus lässt sich dann ableiten, welche Art von Fehler höchstwahrscheinlich aufgetreten ist und wo auf dem Chip dieser Fehler aufgetreten ist, ohne dass die im logischen Qubit gespeicherte Quanteninformation gestört wird. Um die Auswirkungen der entdeckten Fehler zu beheben, kann man dann entweder geeignete Korrekturen an den Qubits vornehmen, oder es reicht für die meisten Anwendungen – wie auch im vorliegenden Experiment – aus, die entdeckten Fehler zu verfolgen und sie erst nach dem Ende der Quantenberechnung zu korrigieren.

 

Wir freuen uns, dass unsere Experimentalkollegen durch den Einsatz von Charakterisierungstechniken, die wir früher in unserer Gruppe erforscht haben, in der Lage waren, die gesammelten Messinformationen so zu verarbeiten, dass sie die Qualität des logischen Qubits bewerten konnten.

Professor Dr. Markus Müller

Leiter der Arbeitsgruppe "Theoretical Quantum Technology Group", Institut für Quanteninformation an der RWTH Aachen / Peter-Grünberg Institut am Forschungszentrum Jülich

Die Entwicklung von Quantencomputern ist derzeit ein heiß umkämpftes Feld in der Quantenforschung, zu dessen Konkurrenten auch große Konzerne wie Google und IBM gehören. Die RWTH Aachen und das Forschungszentrum Jülich sind dabei neben ML4Q an einer Reihe von Forschungskonsortien beteiligt, die den Bau praktischer Quantencomputer auf Basis verschiedener vielversprechender physikalischer Plattformen anstreben, darunter gespeicherte Ionen (AQTION, IQuAn), neutrale Atome (MUNIQC-Atoms) und supraleitende Qubits (OpenSuperQ, QSolid).

“Die Experimente unserer Kollegen von der ETH Zürich sind beeindruckend und zeigen das Potenzial von Quantenfehlerkorrekturtechniken, um Quantenprozessoren vor Störungen zu schützen”, sagt ML4Q-Mitglied Markus Müller, der an der Schnittstelle zwischen Quantentheorie und Experiment forscht.
“Es ist zu erwarten, dass größere Geräte, die derzeit entwickelt werden, eine komplexere Technik erfordern. Sie werden aber – wenn sie mit Fehlerkorrekturprotokollen ausgestattet sind – letztlich einen noch höheren Schutz gegen Fehler bieten.

 

Quantencomputerchip auf einer Leiterplatte; Bild: ETH Zürich/Quantum Device Lab

 

Kontakt:
Professor Dr Markus Müller
Institut für Quanteninformation an der RWTH Aachen
+49 241 80 28412
m.mueller@physik.rwth-aachen.de

Publikation:
Realizing Repeated Quantum Error Correction in a Distance-Three Surface Code
Sebastian Krinner, Nathan Lacroix, Ants Remm, Agustin Di Paolo, Elie Genois, Catherine Leroux, Christoph Hellings, Stefania Lazar, Francois Swiadek, Johannes Herrmann, Graham J. Norris, Christian Kraglund Andersen, Markus Müller, Alexandre Blais, Christopher Eichler, Andreas Wallraff; https://www.nature.com/articles/s41586-022-04566-8