Einem Forscherteam um die ML4Q-Mitglieder Bert Voigtländer, Stefan Tautz und Detlev Grützmacher am Forschungszentrum Jülich ist ein wichtiger Schritt zur Realisierung neuartiger elektronischer Bauelemente gelungen. Mit einem speziellen Vierspitzen-Rastertunnelmikroskop konnten sie erstmals die außergewöhnlichen elektrischen Eigenschaften von ultradünnen topologischen Isolatoren messen. Diese resultieren aus der Tatsache, dass der Elektronenspin an die Stromrichtung gekoppelt ist, was eine Voraussetzung für den Einsatz in einem topologischen Quantencomputer ist.

Die hohe Fehleranfälligkeit von Quantenbits, kurz Qubits, ist eine der größten Hürden beim Bau praktisch nutzbarer Quantencomputer. Sogenannte topologische Quantencomputer gelten als elegante und vielversprechende Lösung für dieses Problem. Die empfindliche Quanteninformation in einem solchen Computer ist durch die Wahl bestimmter Materialien besonders gut gegen Fehler geschützt. Allerdings existiert das Konzept bisher weitgehend nur auf dem Papier. Die Suche nach einem Materialsystem mit den entsprechenden Eigenschaften ist noch nicht abgeschlossen.

Die Idee eines topologischen Quantencomputers basiert auf der Verwendung von topologischen Isolatoren. Dabei handelt es sich um eine neue Klasse von Materialien mit ganz besonderen Eigenschaften: Die Materialien verhalten sich in ihrem Inneren wie ein Isolator, leiten also dort keinen Strom, aber ihre Oberfläche ist leitfähig. Die Bewegungsrichtung ist dabei streng an den Spin der Elektronen gekoppelt.

Ein Sonderfall sind die erst vor wenigen Jahren entdeckten 3D-Topologie-Isolatoren. Diese sind, wenn man sie sich als Würfel vorstellt, auf allen sechs Seiten leitfähig. Allerdings nimmt die Leitfähigkeit an der Oberfläche ab, wenn man die 3D-Isolatoren immer dünner macht, wie Forscher am Jülicher Peter Grünberg Institut für Quantennanowissenschaften jetzt gezeigt haben. Übrig bleibt schließlich eine nur wenige Nanometer dünne Schicht mit vier leitfähigen Kanten, an denen der elektrische Strom weiterhin gerichtet fließt.

Aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften sind die ultradünnen topologischen Isolatoren interessante Materialien für Anwendungen in der Spintronik – also für die Entwicklung von Geräten und Komponenten, die den Elektronenspin zur Verarbeitung und Speicherung von Informationen nutzen. In Kombination mit Supraleitern könnten sie auch geeignet sein, andere, noch exotischere Effekte zu realisieren, die in topologischen Quantencomputern genutzt werden können.

Der Versuchsaufbau der Studie, wie er in Abbildung 1 der Veröffentlichung dargestellt ist (Bild: Forschungszentrum Jülich / Vasily Cherepanov)

Für ihre Messungen verwendeten die Forscher ein spezielles Rastertunnelmikroskop mit vier Spitzen. Das am Forschungszentrum Jülich entwickelte Gerät ermöglicht es, elektrische Messungen unter hochreinen Bedingungen an extrem kleinen Strukturen durchzuführen. In der aktuellen Studie wurde zudem ein neues Verfahren eingesetzt, das die Positionierung der Messspitzen mit einer Genauigkeit von wenigen Nanometern noch präziser macht. Mit dem “Nano-Multimeter” konnten die Forscher erstmals zeigen, dass sich die elektrischen Eigenschaften der dünnen Schichten im Nanobereich so verhalten, wie es theoretisch vorhergesagt wurde. Die Beobachtung ist wichtig für ein tieferes Verständnis der topologischen Isolatoren und entscheidend für ihre weitere Entwicklung im Hinblick auf mögliche Anwendungen.

 

Veröffentlichung:
Lifting the Spin-Momentum Locking in Ultra-Thin Topological Insulator Films
Arthur Leis, Michael Schleenvoigt, Vasily Cherepanov, Felix Lüpke, Peter Schüffelgen, Gregor Mussler, Detlev Grützmacher, Bert Voigtländer, and F. Stefan Tautz
Advanced Quantum Technologies (published online 9 September 2021), DOI: 10.1002/qute.202100083

[aus der Pressemitteilung des Forschungszentrum Jülich von Tobias Schlößer]